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Leseprobe zum Manuskript

Irakbild






Vorbemerkung:

Vom 6. Februar 2003 an hielten wir uns in Bagdad auf.  Wir sind eine kleine private Forschungsgruppe, die die kulturellen und touristischen Sehenswürdigkeiten des Irak vor Ort studieren wollten, bevor der nahende Krieg dieses unmöglich machen würde.
Dieser lange Zeitraum vor Kriegsbeginn ermöglichte es uns den Alltag im Irak kennen zulernen.  Durch die begrenzten finanziellen Mittel der Forschungsgruppe waren wir im Gegensatz zu den Journalisten gezwungen, in einfachen Hotels zu wohnen und uns täglich Lebensmittel bei den einheimischen Supermärkten und Marktständen zu kaufen.
Wir konnten so auch leicht persönliche Kontakte zu den Bagdadern herstellen, wir lernten ihre Gastfreundschaft kennen und uns gegenüber äußerten sie sich frei über ihre Meinung zu den politischen Themen. 
Während des Krieges erfuhren wir viele Neuigkeiten von der Front, wenn wir uns mit den anderen Bagdadern in ihren Teehäusern – den wichtigsten „Informationszentren“ – unterhielten. 
Wir fanden sehr leicht Kontakt zu den Gesprächspartnern, gleich ob es der Museumsdirektor, der Bankmanager, der Direktor des Kultur- und Filmministeriums oder ein Soldat, Polizist oder Bäcker war, sobald wir erzählten, dass wir Deutsche waren.
Die Deutschfreundlichkeit im Irak hat uns sehr beeindruckt und wird eine bleibende Erinnerung für uns sein.

Durch den Kriegsbeginn war es uns nicht mehr möglich das Land zu verlassen, da die Preise für ein Taxi nach Jordanien in schwindelnde Höhen gestiegen waren.  Somit waren wir während des Krieges gezwungen, an Ort und Stelle auszuharren. 
Wir hatten es uns angewöhnt, für unsere Arbeit tägliche Aufzeichnungen zu führen, während der Kriegszeit wurde hieraus zwangsläufig eine Art „Kriegstagebuch“.
Die Hauptkriegszeit, die wir aufgezeichnet haben, möchten wir nun den Lesern zugänglich machen.  Die Unterschiede zu den offiziellen westlichen Medienberichten werden dem Leser sicherlich auffallen.



Ausschnitte unserem Kriegstagebuch

20.3 Do.
Um 5h30 gab es den ersten Luftalarm!
Wir sprangen aus dem Bett, und beobachteten das Flak-Abwehrfeuer.  Die Raketen der Amerikaner kamen aus südlicher Richtung.  Nur wenige Einschläge waren zu hören, die meisten explodierten in der Luft.  (Abwehrschirm?)
Bis ca. 7 Uhr noch vereinzelte Raketen.
Nur wenige Leute gingen in den Schutzraum.  Soldaten patrouillierten an den Straßenkreuzungen.
Die Einwohner Bagdads liefen nach der Entwarnung auf den Straßen herum und unterhielten sich fröhlich.
Keinerlei Angst und Panik war zu spüren!
Die Journalisten filmten von den Balkonen des Hotel Palestine aus das Geschehen, nur wenige von ihnen gingen auf die Straße.
Gegen Mittag eröffneten einzelne Geschäfte, darunter auch ein Holzofenbäcker.
Auch heute wurde neues Gemüse angeliefert.
Überall sah man verstärkt Militärposten.

21h08 Fliegeralarm!
Die Flak schoss auf die „Bomber“, aber es waren Wolken am Himmel, daher konnte man die Bomber nicht erkennen.
2 bis 3 Bomben wurden abgeworfen, aber die Brände waren schnell gelöscht.
Ab 21h18 war dann wieder Entwarnung.

23h00 Fliegeralarm!
Wir warteten, aber es geschah nichts. 
Keine Flugzeuge am Himmel zu sehen, obgleich die Sicht klar war.
Die Flak suchte mit Leuchtspurmunition den Himmel ab.
Nach etwa einer Stunde war daher wieder Entwarnung.
Was war geschehen, wo waren die Flugzeuge geblieben?






21.3 Fr.
In der ganzen Nacht war es ruhig geblieben.
Im irakischen Fernsehen wurde eine Trauerfeier übertragen, aber nicht aus Bagdad, anscheinend aus dem Norden des Iraks.  Gab es schon die ersten Kriegstoten, leider konnten wir die Ansprache nur teilweise verstehen.

Die westlichen Medien behaupteten an diesem Tag im Internet; Bagdad wäre am Vorabend von einem Bombenhagel ziemlich zerstört worden, alle Ministerien seien in Schutt und Asche gelegt worden.
Es wurde dort auch gemutmaßt, das Saddam Hussein mit seiner Führungsriege und seinen Söhnen im Schlaf überrascht und getötet, zumindest verwundet worden seien.  Auch wurde behauptet, dass es brennende Ölquellen im Südirak gebe, Basra kurz vor der Einnahme stehe und die Alliierten schon 150km vom Süden her, einmarschiert seien.  Vermeldet wurde auch ein angeblich technisch bedingter Hubschrauberabsturz mit 16 Toten in Kuweit.


Was wir aber erfahren und gesehen hatten:
Ein Fischrestaurantbesitzer am Tigris zeigte uns das „zerstörte“ Gebäude, das gestern Abend getroffen worden war.  Es handelte sich um das Stadtentwicklungsministerium.  Dies war nur ausgebrannt, stand aber noch.  Dies war alles was zerstört war, denn bei sternenklarem Himmel (23h00) gab es gestern Nacht keine zweite Angriffswelle.
In den westlichen Medien wurden offenbar alte oder gefälschte oder unscharfe Bilder gebracht, denn die dort gezeigten Brände in Bagdad oder angeblichen Truppenbewegungen der Alliierten im Süden des Irak gab es gar nicht!
Auch teilte uns der Fischrestaurantbesitzer mit; es wären 200 Amerikaner im Süden gefangengenommen worden.

Dann setzten wird uns in eine Teestube (bester „Nachrichtenpunkt“ im ganzen Irak sind die Teestuben) und erfuhren weiteres:
Erstens Basra war nicht eingenommen worden, die Amerikaner hingen schon seit 36 Stunden noch in der Pufferzone (zwischen Irak und Kuweit) fest.  Dabei wollten sie doch in 48 Stunden schon Basra eingenommen haben!
Es war auch nicht nur ein Hubschrauberabsturz in Kuweit zu vermelden, sondern 3 innerhalb von 24 Stunden. 
Die irakische Armee hatte auch mit Raketen in den Kuweit hineingeschossen und alliierte militärische Basen angegriffen.
Die Angriffe der Amerikaner im Süden waren nicht nur zu diesem Zeitpunkt ins Stocken geraten, sondern sie wurden auch zurückgetrieben.  Dies wurde sogar von CNN bestätigt.
Einer der Gäste des Teehauses meinte, dass die Amerikaner hier keinen Fuß fassen könnten.
Dies wüssten auch die Deutschen, Franzosen und Russen.  Dieser Krieg wäre das Ende der USA.
Im Focus (Internet) stand auch, dass Außenminister Fischer leichenblass geworden sei, als er die Nachricht vom Kriegsbeginn erhalten hatte.
Was ließ ihn wirklich erbleichen?  Denn die ganze Welt wusste, dass die Amerikaner früher oder später den Irak angreifen würden.

20h08 Fliegeralarm!
Es kamen wieder Flugzeuge, aber trotz guter Sicht sah man gar nichts von ihnen.  Nur das Flak-Feuer arbeitete.  Es wurden keine Bomben auf Bagdad abgeworfen.
Nach 20h25 war wieder Entwarnung.

An diesem Abend sahen wir im irakischen Fernsehen, dass in Bahrain und Jemen schon Demonstrationen gegen ihre „amerikahörigen“ Regierungen begannen, dies auch teilweise mit Gewalt.

21h00 überraschender Angriff!
Wahrscheinlich B2-Bomber.  Der irakischen Abwehr gelang  es zwar, wenigstens einen Bomber abzuschießen, aber es gab ein heftiges Bombardement am linken Tigris-Ufer, dort wo sich das irakische Regierungsviertel befand.
Es wurden das Geheimdienst-Ministerium sowie andere Gebäude getroffen.  Aber die Gebäude waren zu diesem Zeitpunkt bereits leergeräumt gewesen.

Um etwa 23h00 kamen noch einmal Flugzeuge, vermutlich F16 Jets, sie richteten aber keine Schäden an.
Entwarnung gab es um 23h15.

23h40 wieder Fliegeralarm!
Nach langem Warten waren wir dann ins Bett gegangen, denn es kamen keine Flugzeuge.  Dicke Wolken waren am Himmel zu sehen.
Nachts waren wir nochmals auf (02h40), es war aber nichts geschehen.
Um 06h00 morgens schlugen noch einmal ein paar Raketen ein, aber keine Schäden in der Stadt.






22.3 Sa.
Es war heller Sonnenschein und keine Brände zu sehen.
Der Verkehr lief wieder normal.

Wir waren einkaufen gegangen.  Einige Bagdader hatten uns angehalten und mit uns gesprochen.  Die Stimmung war explosiv und die ersten Opfer waren zu beklagen.  Es war uns geraten worden, die Presseausweise lieber offen zu tragen, da eine fremdenfeindliche Stimmung aufgekommen war. 

Von unserem Hauswirt erfuhren wir, dass die Amerikaner bei Umm Qasr und Al Faw immer noch fest hingen.  Das bedeutete, dass sie immer noch in ihrer Startposition waren!
„Na toll, wenn schon kleine „Kuhdörfer“ (5x5qm groß) sie aufhalten, wie wollen sie dann in angeblichen drei Tagen in Bagdad sein?“, dachten wir uns.
Wir hörten ein CNN-Reporter sei zurück gerufen worden, weil der die Wahrheit über die militärische Lage der Amerikaner geschrieben hatte.  „Die verbreiten eben lieber Lügen“, sagten wir uns.
Angeblich waren gestern 3500 Raketen auf den Irak abgefeuert worden, davon 320 auf Bagdad. Es waren höchstens 32 Raketen gewesen und alle wurden abgeschossen, bevor sie ihr Ziel erreichten.  Und die angeblich brennende Ölquelle existierte gar nicht!
Um 18h00 sahen wir vom Balkon aus, wie ein Flugzeug angeschossen wurde.  Vielleicht gab es auch einen Absturz?  Im irakischen Fernsehen sahen wir den Abschuss von heute Mittag.  Nach dem Piloten wurde aber noch gesucht.

Vom unserem Hauswirt erfuhren wir, dass letzte Nacht die Amerikaner von Kuweit aus einen Durchbruch versucht hatten, da sie in Umm Qasr und Al Faw immer noch festsaßen.
Der angebliche Durchbruch war folgender:
In Richtung Nord-West von Kuweit aus nach Nasiriyah über al Baswah (dies ist eine Oase) versuchten die Alliierten durchzubrechen.  In al Baswah wurden sie von Einheimischen (nicht von der irakischen Armee) zurückgeschlagen, so dass sie unter Zurücklassung von 5 Panzern nach Kuweit zurückfliehen mussten.  Bis zum heutigen Abend waren die Alliierten immer noch nicht weitergekommen.  Von der Nordfront war bisher noch keine Aktivität ausgegangen.
Am Nachmittag wurde dann ein Ölgemisch um die Stadt Bagdad herum vom irakischen Militär in Brand gesetzt, um eventuellen Bombern und Kampffliegern die Sicht zu nehmen.

Nach Dunkelwerden waren Aufklärungsflugzeuge der Amerikaner über der Stadt (19h15).
Heftige irakische Flakabwehr.

Im irakischen Fernsehen zeigten sie einige der 240 Verletzten der letzten Nacht und das zerstörte Hotel „Ikri“.  Dies war im Süden vom Irak.
21h10: beobachteten wir einen Flugzeug-Abschuss über dem nördlichen Stadtteil von Bagdad vom Schlafzimmerfenster aus.
21h25: schon wieder hatte die Abwehr ein Flugzeug abgeschossen, Volltreffer!  Die Luft stank nach Kerosin.

In der Nacht hörten wir drei Explosionen und wir beobachteten einen riesigen Feuerball im Osten.


Wen es interessiert wie wir durch die Vorkriegszeit, den Krieg und die erste Nachkriegszeit (unter amerikanischer Besetzung) gekommen sind sollte dieses Buch lesen, er wird auch auf überraschende Entdeckungen stoßen, die wir bislang noch niemandem mitgeteilt haben.