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Warum feiern wir Ostern?




"Ob Ostern früher oder später sei,
Es kommt mit Laub und Knospen herbei" -
sagt eine alte deutsche Bauernregel.
Macht doch nur einmal die Augen auf draußen in Wald und Feld, dann seht ihr, wie recht sie hat!

Ostern ist ja unser deutsches Frühlingsfest - ist es stets gewesen, schon bei unseren Ahnen

Wieder will nun der Ring der Jahre leise hineinwachsen in ein neues Blühen und Werden.  Fasenacht ist längst vorbei.  Damals wurde der alte Winter als Strohpuppe verbrannt.  Und ein wenig später zogen die Kinder mit ihren Sommertagsstecken durch das Land, um den jungen Sommer zu wecken.  Laut klang damals ihr Jubelruf:

"Der Sommer hat gewonnen -
Der Winter hat verloren!"

Ja, es ist wirklich so weit - und alle müssen es glauben.  Auch die, die immer noch zweifeln wollten.
Über Nacht kam der Frühling ins Land!
Habt ihr es wohl vernommen, wie schon vor Wochen das Schneeglöckchen hell läutete, als es die ersten warmen Sonnenstrahlen spürte?  So lange hat es damals geläutet, bis alle Bäume und Sträucher aufwachten.  Bis der Frühlingswind kam, die dicken grauen Wolken zusammenschob und sie fortjagte nach Norden, um vom Südwesten her die zarten, weißen Lämmerwölkchen an den blauen Himmel zu holen.  Und dann zog auch endlich im Gehölz der Seidelbast sein rotglühendes Kleid an, das Leberblümchen strahlte das tiefste Blau des Himmels wider, und in den ersten scheuen Blüten der Himmelschlüssel leuchtete es wie vom Gold der jungen Frühlingssonne.

Das ist zum Ostertag ein Jubeln und Blühen ringsum in Wald und Feld!

Haben nicht auch die Gänseblümchen der Wiese sich mit weißen Spitzen geschmückt zum Fest?
Und hat nicht der Huflattich um den Graben einen goldenen Saum gestickt?  Und ist der alte Weidenbusch am Bach nicht neulich früh am Morgen aufgewacht mit lauter kleinen silbergrauen, seidenweichen Kätzchen?
Nun können die Bienen den ersten Ausflug wagen zu den vielen kleinen Honigschenken am Wege; und die Stöcke werden ins Freie gebracht und der Imker rüttelt kräftig daran, daß alle Immen wach werden.

Nun sitzen auch die Stare vor ihren Bretterhäuschen und schwatzen, zwitschern und pfeifen.  Flinke Meisen feilen unermüdlich an ihren kleinen Liedchen, und der Buchfink ruft aus dem Apfelbaum, daß die gute Zeit jetzt anhebt.  Da hopft das Spatzenmännchen wie närrisch um das Weibchen herum und schilpt und schilpt in einem fort.  Die Goldammer jubelt unaufhörlich: "Wie, wie hab' ich dich lieb....!"
Der Kiebitz gaukelt hoch hinauf ins Blau und überschlägt sich vor Freude - und laut lacht der Specht im Walde!
Wenn aber erst hell und hoch über allem Jubel und allem Juachzen und Leuchten das Lerchenlied siegesfroh den weiten Himmel durchklingt, dann wissen wir es ganz gewiß:
Die Gewalt des Winters ist gebrochen.  Kälte und Schlaf unter Eis und Schnee sind nun überwunden - das Leben, das junge Leben ist neu gewonnen!
Osterzeit ist Zeit der Auferstehung unserer deutschen Erde!

Nun wird das Licht der Sonne wärmer und leuchtender.  Nun wachen unter ihrem Schein die Bächlein auf, die so lange schlafen mußten unterm Eis der Winternacht.  Und in ihrem leisen Murmeln und Rieseln und im Sprühen des Sonnenlichtes über Wellen und Wellchen klingt das tausendfache Lied des Lebens wider, das die Welt durchdringt.

Sonne und Wasser!  Sind sie dem Deutschen nicht stets wie die Urkräfte alles Lebens gewesen?
Und nun betrachtet doch einmal unser deutsches Brauchtum um das Osterfest!
All diese lieben, alten Bräuche, die da um Feuer und Wasser gehen!
War nicht das Feuer schon unseren Ahnen "der Sonne Bild", war es ihnen nicht der irdische Widerschein der wärmenden, lebenschaffenden Sonne?
Seht, und darum lodern in diesen Tagen die Osterfeuer von den Höhen; darum rollen feurige Sonnenräder zu Tal und ihr leuchtender Schein soll Segen und Fruchtbarkeit den Äckern bringen, aus deren Schoße nun das neue Leben wächst.
Alt sind all diese Bräuche um das Osterfeuer - und treu hat sie das deutsche Volk bewahrt.  Durch viele Jahrhunderte hat zum Osterfest Alter und Jugend um das "heilige Feuer" gestanden, hat erlebt, wie am Ostermorgen über der verglimmenden Glut die Sonne golden aufging.  Und die Mütter haben dann wohl immer ihren Kindern davon erzählt, daß an diesem einen Morgen des deutschen Frühlingsfestes die Sonne drei Freudensprünge macht, wenn sie aufsteigt über der neu erwachten deutschen Erde, und wenn sie dann ringsum all das junge Blühen und Grünen sieht und all das Zwitschern und Jubeln und Singen hört von tausend Stimmen und Stimmchen in Wald und Feld.
Sollen nicht die Kinderstimmen hell einfallen in diese Freude mit einem unserer kleinen Liedchen von der Sonne?

"Sonne, Sonne, scheine!
Fahr' übern Rheine,
Fahr' übers Glockenhaus,
Gucken drei schöne Frauen heraus!
Eine, die spinnt Seide,
Die andre bind't die Weide,
Die dritte geht ans Brünnchen,
Find't dort ein goldig Kindchen...."

singen sie.  Oder:

"Liebe Frau, machs Türle auf,
Laß die liebe Sonn' heraus,
Laß den Regen drinnen,
Laß den Schnee verbrinnen...!"

Und dazu erzählen wir ihnen von der guten Frau Holle, die in ihrem Lebensbrünnlein die Kinderseelchen birgt, und die uns das goldene Licht der Sonne schickt aus ihrem wundersamen Garten am Fuße des Weltenbaumes.  Ach, wie viel vermag uns doch so ein kleines Liedchen zu sagen!  Wie tiefes Erleben kann es wecken in der Seele unseres Kindes!

Und so stellen wir am Ostertag zu Feuer und Sonne das Wasser.  Das Wasser, das nun wieder raunt und singt, im Frühlingswald, das Lebenswasser, aus dem alles Leben neu wird und das Frau Holle hütet in ihrem Lebensbrünnlein.  Und doppelt tief erleben wir dann altes deutsches Brauchtum, wenn wir frühmorgens ausziehen, um das Osterwasser zu holen.
Schweigend muß es geschöpft und heimgebracht werden, dann gibt es Gesundheit und Schönheit fürs ganze Jahr.  Schweigend, gewiß! 
Denn um so lauter sprechen dann ja beim Gang durch Wald und Feld zu uns die vielen, vielen jungen Stimmen des Ostertages!  Und ein schöner alter Brauch könnte wohl bei diesem Weg um das Osterwasser neu aufleben: Sollten wir nicht einmal wieder - wie es früher geschah - brennende Lichtlein auf ein kleines Brett stellen und diese "Schiffchen" davontreiben lassen durch das junge Grünen und Blühen, mit dem Rieseln und Plätschern des vom Eis befreiten Frühlingswassers?
Osterfeuer und Osterwasser klingen uns so im Brauch des frühen Ostermorgens zusammen zum frohen Lebenslied!

Und dann wird der Tag hell und der Jubel laut!
Dann werden wir die Langschläfer, die das geheimnisvolle, eindringliche Leben und Weben des frühen Morgens verträumten.  Wir wecken sie mit der grünen Ostergerte, dem Weiden- oder Birkenzweig, und fröhlich klingt dazu der Ruf:

"Stüp, stüp, Ostere,
Gifft du mir keen Osteree,
Stüp ik di dat Hemd entwee!"

Denn nun geht's ja an das Eiersuchen - draußen im Garten, auf der Wiese, in den Sträuchern, in den Nestern aus Moos, in dem "Hasengärtlein", das die Kinder selbst gebaut haben am Tage vor dem Fest.
Der Osterhase bringt die Eier, jawohl!  Weshalb hätten denn sonst die Kinder wohl schon so früh im Jahr ihr Liedlein gesungen -
"Häschen in der Grube saß da und schlief.
Armes Häschen, bist du krank,
Daß du nicht mehr hüpfen kannst?
Häschen hüpf!" - - ?

Hat es nicht geholfen, das Lied?  Und sind nicht die Häslein wirklich sehr früh im Jahr aufgewacht - schon im Winter, als der Schnee noch dicht und fest über der Erde lag?  Schon damals konnten wir ja beim Waldspaziergang die kleinen Flöckchen Hasenhaare, die "Hasenwolle", im Schnee finden und dabei an das Osterfest denken.
Und zur rechten Zeit, im Frühling, waren dann auch die vielen jungen Häslein da!

Seht, und so wurde denn schon bei unseren Ahnen der Hase zum Boten des Frühlings, und so konnte es auch kommen, daß er nun unseren Kindern die bunten Ostereier bringt.  Und wenn sie uns fragen, wie denn das zugeht, daß der Hase die Eier bringt, dann wollen wir ihnen erzählen von der Hasenwolle im Schnee - und wollen ihnen sagen, daß der Hase so ein rechter Frühlingsbote und Glücksbringer ist; daß in einem niedersächsischen Märchen kleine Hasen Frau Holles Wagen ziehen, ihre Schleppe halten und ihr das Lichtlein tragen, wenn sie als "Waldminchen" durch den Wald ihren Umzug hält ("Deutsche Märchen seit Grimm. von Zaunert, Bd. I, S. 231); daß in dem wundersamen Garten zu den Füßen der Lebensmutter oft zwei Häslein spielen - und daß der Hase im Märchen das Kräutlein des Lebens und das Lebenswasser von ihr zu den Menschen trägt.
Vieles können wir erzählen um zu zeigen, daß der Hase zum jungen Lebensgrün des Osterfestes und zum Osterfeuer und Osterwasser gehört, und daß er den Kinder die Ostereier aus der fernen Welt der Frau Holle mitbringt.

Und ist denn nicht auch das Osterei, das uns das Häslein bringt, so ein rechtes Gleichnis all des wachsenden Lebens ringsum?  Wie im Winter die Erde schläft unter der weißen Decke aus Eis und Schnee, und wie doch schon in ihrem Schoße das junge Leben heimlich träumt, so birgt auch das Ei in starrer Schale dieses neue Leben!
Und von dem Leben, das unter der leblosen Hülle verborgen liegt, berichten uns all die bunten Lebensfarben, die wir den Eiern geben, berichten die Bilder und Zeichen, die wir ihnen aufmalen - und nicht zuletzt auch die kleinen Sprüche, die uns von Einkehr und Neuwerdung des Lebens erzählen:
"Wenn auch das Ei zerbricht,
Doch unsre Liebe nicht - "

und:

"Das Ei ist rot;
Ich liebe dich bis in den Tod!"

Und so suchen wir denn mit den bunten Eiern im Garten gleichsam das junge Leben selbst.  Und das junge, bunte Leben jauchzt und lacht und singt auch im "Eierpicken", "Eierlaufen", "Eierrollen" - und in all den anderen kleinen Spielen, die den Ostertag ausfüllen.  Wir wollen sie doch wieder spielen lernen, diese Spiele, die uns künden vom uralten Wettstreit um den Preis der Gewandtheit, Geschicklichkeit und Schnelligkeit, und die der deutschen Jugend immer wieder zeigen sollen, daß das Leben sich den Menschen nicht umsonst gibt, sondern daß man darum kämpfen muß wie um jedes andere Gut.
Im Spiel tut sich uns so der tiefste Sinn des Daseins kund - wie er sich uns kund tut in all unserem Brauchtum um das deutsche Jahr und um das deutsche Leben.

Ewig schließ sich der Ring.
Ewig führt uns der Rhythmus der Welt von Winterstarre zu neuem Werden - vom Tod zum jungen Leben.
Froh und stark macht uns dieses Wissen.

Das schönste Fest des neuen Werdens und des jungen Lebens aber ist im deutschen Jahresring das Osterfest, das Frühlingsfest der deutschen Erde!
Davon sollen uns Osterfeuer und Osterwasser künden: davon erzählt uns das junge Grünen und Blühen und das Jubellied der Vöglein!  Und die Häschen wissen es, wenn sie sich in jedem Frühling wieder tummeln in Wiese und Feld.  Und wenn wir beim Osterspiel das Ei aufschlagen, das wir fanden im Nest aus grünem Moos, dann lacht uns - verborgen unter der bunten Hülle - wieder und wieder das Bild des Lebens an: Die Dotter im weißen Kranz - wie das goldene Auge der Sonne, die nun wieder zu uns zurückgekehrt ist; die uns das Glück des Sommers in das Land bringt und uns in ihrer ewigen Wiederkehr Bürge ist für den Sieg des Lebens über Dunkelheit und Tod.


(Quelle: Das deutsche Feierbuch)