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Ruinen von Zimbabwe - ein Bergwerk
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Verschollene altafrikanische Kulturen

Auf seiner neunten afrikanischen Expedition durchstreifte Leo Frobenius zwischen Kap, Zambesi, Tanganjika-Territorium ein Gebiet halb so groß wie Europa.
Die Ergebnisse dieser Expedition sind für die Vorgeschichte Afrikas von ungemeiner Bedeutung.  Die Untersuchung der uralten, berühmten Steinruinen und Bergwerke von Zimbabye ergibt: Diese Ruinen sind Reste einer rätselhaften Hochkultur. 
Das Volk, das diese Stadt einst baute, legt in ganz Rhodesien ausgedehnte Bergwerke an, aus denen man Gold, Zinn, Kupfer holt.  Zimbabye ist keine Festung, sondern ein riesiges Grubenzentrum. 
Dieses längst ausgestorbene Volk muß nicht nur eingehende geologische Erfahrungen besessen, sondern außerdem bei den Grubenarbeiten technische Methoden in Anwendung zu bringen verstanden haben, die fast alles übertreffen, was heutzutage auf diesem Gebiete geleistet wird.  Frobenius findet Bergwerksschächte, die bis 50 Fuß unter die Erdoberfläche reichen.  Sie sind außerordentlich korrekt angelegt, und von diesen Schächten zweigen ebenfalls tadellos angelegte mehr als 80 Fuß lange Gänge ab.  Unerklärlich, wie man die wertvollen, Metall führenden Adern aufzufinden imstande war.
Die Eingeborenen besitzen heute noch viele uralte Werkzeuge, überhaupt Gegenstände, die aus diesen Gruben zu stammen scheinen.  Sie haben sie als Dekorationsstücke in ihren Hütten aufgehängt.  Frobenius entdeckt übrigens auch Spuren, die auf eine enge Verbindung dieser Kultur mit altasiatischen Kulturen hinweisen.

Diese altafrikanische Kultur ist zeitlos, niemand vermag zu sagen, für welche geschichtlichen, eher aber noch vorgeschichtlichen Perioden sie anzusetzen wäre.  Zwischen Sudan und Transvaal kennt man - außerhalb des großen Grubenzentrums von Zimbabye - bis jetzt noch etwa 85 000 solcher vorgeschichtlicher Stollen.  Sie führen - ohne Ausnahme! - zu nicht im Tagbau erreichbaren Metalladern (vergleichsweise sei angemerkt, daß moderne, nach wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführte Bohrungen bestenfalls 20 Prozent Treffer ergeben, auf hundert Bohrungen rechnet man achtzig Blindbohrungen).
Unerklärlich also, welche Methoden die Schwarzen - vielleicht aber waren es auch Braune - handhabten um mit solch unfehlbarer Sicherheit Metalle zu muten.  Diese mit außerordentlichem fachmännischem Können angelegten Stollen sind offenbar letzte Andeutungen, Hinweise auf eine verschollene, einst unerhört entwickelte Metallbearbeitungskunst.  In Afrika scheint sie beheimatet gewesen zu sein, von hier aus eroberte sie wohl die ganze Alte - vielleicht auch die Neue - Welt.  Die noch erhaltenen Relikte einer großartigen vorgeschichtlichen indischen Eisenindustrie, die seltsame etruskische Bronzeplastik, die altmexikanische und altperuanische Metallbearbeitungskunst und noch die Beninbronzen - sie alle scheinen unmittelbare oder mittelbare Ausläufer dieser uralten afrikanischen Metalltechnik zu sein.

Sie ist nicht das einzige Rätsel, das den Archäologen in Afrika Kopfzerbrechen macht.  Genau so rätselhaft, genau so geheimnisvoll sind die südafrikanischen Felsenzeichnungen und Höhlenmalereien, die (zum Teil) bis in die ältere Steinzeit zurückgehen.  Gegenstücke zur zehntausendjährigen berühmten "Kunst der Eiszeit", zu den Malereien in der Altamirahöhle und den ostspanischen, kantabrischen, südfranzösischen Höhlen.

In den Fels hineinziseliert oder mit feinem gelben, gelbroten, weinroten Stift auf Sandstein gezeichnet, ungeheuer naturalistisch, ausdrucksvoll in der Bewegung, mit geradezu modernem Geschmack stilisiert, sind sie Hinterlassenschaften einer uralten Kultur.  Über 25 000 Fundstätten solcher "Buschmann"malereien hat man entdeckt, Frobenius hat etwa tausend dieser Bilder abzeichnen lassen, hat die Kopien dann zu einer sehenswürdigen Ausstellung (die eine Zeitlang im Berliner Völkerkundemuseum zu sehen war) vereinigt.  Es sind einzigartige Stücke darunter, Freskengemälde von 11 m Länge und 2,5 m Breite, Kompositionen, die nicht allein durch ihre Größe, sondern mehr noch durch ihre Vielfigurigkeit oder durch die Seltsamkeiten der Darstellung - neben Jagdszenen, Prozessionen, Tänzen gibt es Scharen phantastischer Tiermenschenwesen und sonderbare Szenen erotisch-magischen Inhalts - merkwürdig sind.

Aber auch mit diesen Felsenbildern sind die Wunder altafrikanischer Kulturen nicht erschöpft: Frobenius betritt, es ist zum ersten Male in der Geschichte der Archäologie, die Gräber der Könige dieses verschollenen altafrikanischen Kulturvolks.  Seltsame Parallelen zu altsumerischen und altägyptischen Grablegungsmethoden werden aufgedeckt.  Wie in Sumer, wie in Ur, wie in des Menes Grab sind auch hier, in diesen kapellartigen Halbhöhlen, auf die verputzten Wände Begräbnisszenen gemalt, wird auch hier der Hofstaat dem König ins Jenseits mitgegeben.  Diese Entdeckungen haben die Bedeutung, ein neues, wahrscheinlich riesiges, in jedem Falle unheimlich interessantes Kapitel der Kultur- und Kunstgeschichte aufgeschlagen zu haben.  Es zugänglich gemacht zu haben, ist Frobenius' Verdienst - wie es auch sein Verdienst ist, den Großteil dieser "Buschmann"malereien und -zeichnungen für die Kunstgeschichte zu retten.  (Die Kunstgeschichte registriert nämlich diese Malereien als Buschmannmalereien.  Aber niemand ist in der Lage, den Nachweis zu führen, daß es sich in Wirklichkeit um Schöpfungen dieser scheuen, wilden Urwaldbewohner handelt.)  Diese Malereien gehen langsam oder rascher zugrunde, Witterungseinflüsse zerstören sie, und manchmal machen sich auch die Eingeborenen ein Geschäft daraus, die Bilder absichtlich zu vernichten oder aber sie abzulaugen, um aus den Farbstoffen Arzneien zu gewinnen.

G.

(Quelle: "Schlüssel zum Weltgeschehen - Monatsheft für Natur und Kultur in ihrer kosmischen Verbundenheit", Seite 290-291, Heft 9, Jahrg. 1930)